Teilzeitarbeit

Als Teilzeitbeschäftigte werden alle diejenigen bezeichnet, die eine vereinbarte Arbeitszeit unterhalb der üblichen (i.d.R.: tariflich vereinbarten Arbeitszeit) haben. In Deutschland betrifft das derzeit alle Personen, die durchschnittlich weniger als 35 Stunden in der Woche arbeiten1, die OECD setzt hierfür eine max. Stundenzahl von 30 pro Woche an. Die Zahlen schwanken somit je nach Art und Institution der Erhebung. Auch wurde das Berechnungsverfahren des Statistischen Bundesamtes rückwirkend ab 1991 verändert, so daß von 1990 zu 1991 die Teilzeitquote nicht nur auf Grund der im Osten Deutschlands geringeren Verbreitung absank, sondern auch auf Grund veränderter statistischer Erhebung. Daher sind diese Zahlen nur bedingt vergleichbar, so daß wir die Entwicklung der Teilzeitquote der 90er Jahre in einem separaten Diagramm dargestellt haben.2

In den Zahlen für Deutschland sind auch die ausschließlich geringfügig Beschäftigten enthalten. Dies ist zu beachten, wenn man die Zahlen mit anderen, eine geringere Teilzeitquote ausweisenden Statistiken vergleicht.

Der Trend ist jedoch eindeutig erkennbar. Der Anteil der Teilzeitarbeit hat sich seit Beginn der Erhebung 1960 beständig erhöht (mit Ausnahme Ende der 70er Jahre). Gegenüber den 80er Jahren hat sich die Zunahme der Teilzeitarbeit in den 90er Jahren noch einmal beschleunigt. Dabei liegt die durchschnittliche Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten bei knapp der Hälfte der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten. Die Tendenz dabei ist sinkend – während der Anteil Teilzeit an Vollzeit 1991 bei etwa 48% lag, ist er heute nur noch wenig über 40%.3

Teilzeitarbeit ist für Arbeitgeber vor allem aus dem Grund lukrativer, da – in den verschiedenen Ländern in unterschiedlichem Maße – diese für Jobs meist weniger oder gar keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind sowie überproportional weniger Lohnsteuern. Auch gelten Teilzeitjobs von Frauen meist als "Zuverdienst" zum Haupteinkommen des Ehepartners, so daß in diesen Bereichen eine schlechtere Bezahlung leichter durchzudrücken ist.

Das schlägt sich dann auch in einer deutlich voneinander abweichenden Teilzeitquote bei Frauen und Männern nieder. Der Frauenanteil bei Teilzeitbeschäftigten in Deutschland ist mit 38% deutlich höher, als der der Männer mit knapp 5% (2000).4 Ein weiterer Vorteil ist auch die meist höhere Zeitflexibilität der Teilzeitbeschäftigten.

Nachteilig für Unternehmer ist hingegen der anteilmäßig höhere Qualifikations- bzw. Anlernaufwand, verglichen mit einer gleichartigen Vollzeitstelle. Somit ist Teilzeitarbeit in den einfachen Dienstleistungen am verbreitetsten. Aber auch viele staatliche/kommunale Einrichtungen verweisen auf eine erhöhte Teilzeitquote, was zumeist auf diverse Gleichstellungsgesetze und –regelungen zurückzuführen ist.

Nun kann man den wachsenden Anteil von Teilzeitbeschäftigung nicht per se als einen Hinweis für eine zunehmende Prekarisierung deuten. Schließlich gibt es durchaus einige Beschäftigte, die aus eigenem Wunsch einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen. So wird bei Untersuchungen dann auch häufig zwischen erzwungener und freiwilliger Teilzeitarbeit unterschieden. Im Westen ist der Anteil der sogenannten "freiwilligen" Teilzeitarbeit größer als der der erzwungenen, während im Osten zumeist eine Teilzeitstelle mangels Alternative angetreten wird. Während in den alten Ländern gut 6 % der weiblichen Teilzeitkräfte als Begründung für ihre Teilzeitbeschäftigung angaben, keine Vollzeittätigkeit gefunden zu haben, waren es in den neuen Ländern immerhin 52 % (2000).5 Auf der anderen Seite kann man davon ausgehen, daß im Westen eine Ursache für den höheren Teilzeitanteil in den weitaus selteneren (Ganztags-)Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zu suchen ist. So werden sicher viele, die in Umfragen ihre Teilzeitarbeit als freiwillig (im Westen gaben z.B. 65% der Teilzeit beschäftigten Frauen an, aus familiären Gründen diese Beschäftigungsform gewählt zu haben) deklariert haben, eine mögliche Vollzeitstelle von vornherein auf Grund ihrer Aussichtslosigkeit ausgeblendet haben.

Die Teilzeitquote im Osten ist niedriger als im Westen (knapp 13% gegenüber 22%, 2000).6 Im Osten dürfte dabei das niedrigere Verdienstniveau eine wichtige Rolle gespielt haben, dort werden weit öfter zwei Einkommen für die Lebensführung benötigt. Zusätzlich verzerrt wird das Bild durch den im Osten hohen Anteil von ABM, die oft ebenfalls mit verkürzter Arbeitszeit durchgeführt werden.
Aber freiwillig oder nicht – an der Qualität des Jobs ändert das erstmal nichts. Viel entscheidender dafür sind dabei andere Kriterien, wie z.B. – neben der Bezahlung – die Karrierechancen, das Qualifikationsniveau und Weiterbildungsmöglichkeiten, die Beschäftigungsdauer sowie Einflußmöglichkeiten auf die Art der Arbeit. Und in allen diesen Bereichen schneiden Untersuchungen zufolge Teilzeitbeschäftigte i.d.R. schlechter ab, als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. So liegen in Europa die Verdienste von Teilzeitbeschäftigten zwischen 55 und 90% ihrer Vollzeitkollegen. Dazu kommt, dass Teilzeitbeschäftigung ohnehin besonders häufig in schlecht bezahlten Bereichen vorkommt. Zusätzliche Leistungen, wie betriebliche Pensionsansprüche, Krankenversicherung oder Arbeitslosenversicherung sind in den meisten Ländern an eine Mindeststundenzahl und/oder –einkommen gebunden, so dass viele Teilzeitbeschäftigte nicht in deren Genuß kommen. Oft werden Urlaub und Urlaubs-/Weihnachtsgeld vorenthalten, es gibt keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Erziehungsurlaub dürfte eine Ausnahmeerscheinung sein, Kündigungsschutzrechte werden mißachtet usw. Und etwa die Hälfte aller Befragten in einer Umfrage gab an zu glauben, daß eine Teilzeitbeschäftigung ihre Aufstiegschancen im Betrieb beeinträchtigen würde.

Viele der Kriterien von Teilzeitbeschäftigung wirken sich dann auch nachteilig auf die Entwicklung von Widerstand aus. So werden Menschen, die einen vergleichsweise geringeren Anteil ihrer Lebenszeit für Lohnarbeit aufwenden, deren Zumutungen geduldiger ertragen als VollzeitarbeiterInnen. Zudem ist auf Grund unterschiedlicher Problemlagen der Kontakt zu voll beschäftigten KollegInnen oft beeinträchtigt. Ein Anzeichen für eine geringere Konfliktbereitschaft dürfte auch der geringere Organisationsgrad von Teilzeitbeschäftigten in Gewerkschaften sein, der nur gut die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten erreicht.7 Teilzeitarbeit ist auch in kleinen Unternehmen, die sich oft durch eine engere Bindung zum "Arbeitgeber" auszeichnen, weit häufiger anzutreffen als in Großbetrieben. Auch sind unter den Teilzeitbeschäftigten viele, die eine solche Art von Beschäftigung nur als vorübergehend betrachten – der Anteil von SchülerInnen und Studierenden ist mit 17% im europäischen Durchschnitt (Deutschland: 14%)8 recht hoch, ebenso der von älteren ArbeiterInnen im Übergang zur Rente.
Die Zunahme von Teilzeitbeschäftigung ist in nahezu allen Industrieländern zu beobachten. Einzige bedeutende Ausnahme ist hier die USA, für die die OECD-Statistik eine Abnahme zwischen 1990 und 2000 von 13,8 auf 12,8% ausweist.9 Dieses Absinken wird auf die aussergewöhnlich gute Konjunkturlage in den USA in den 90er Jahren zurückgeführt, in deren Folge viele unfreiwillige Teilzeitjobs in Vollzeitstellen umgewandelt wurden. Die osteuropäischen OECD-Mitglieder (Tschechische Republik, Ungarn und Slowakei) haben dagegen eine sehr geringe Teilzeitquote von um die 3%, die in den letzten Jahren stagnierte.

Fussnoten

1 Diese Definition wird vom Statistischen Bundesamt an die Entwicklung der tariflichen Arbeitszeit angepaßt. So galt bis 1990 eine Beschäftigung mit bis zu 36 Wochenstunden als Teilzeit, bis 1993 bis zu 35 und ab 1994 bis zu 34 Stunden.
2 In jüngster Zeit kam es wieder zu einer Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der BRD, bei der die Anzahl der geringfügig Beschäftigten bei der Ermittlung der Erwerbstätigenzahlen verstärkt berücksichtigt wird. Damit ergibt sich für 1999 eine Erhöhung der Teilzeitquote auf nun rund 25%, eine Zahl, die auch durch verschiedene Umfrage-Erhebungen bestätigt wird.
3 IAB-Kurzbericht Nr.3/2001
4 Mikrozensus 2000
5 Mikrozensus 2000
6 Mikrozensus 2000
7 DIW-Wochenbericht 44/1998. Dass die Gewerkschaften durchaus nicht eben Klassenkampffördernd sind, ist auch dem Autor klar. Eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ist aber dennoch auch heute noch i.d.R. als Indiz für ein höhere Konfliktbereitschaft zu werten, zumal gerade in vielen kleineren Betrieben eine Gewerkschaftsmitgliedschaft oft noch ein Entlassungsgrund ist.
8 Bielenski, Harald: Erwerbswünsche und Arbeitszeitpräferenzen in Deutschland und Europa, Ergebnisse einer Repräsentativbefragung, in: WSI-Mitteilungen 4/2000, S.233
9 Nach anderen Statistiken ist die Teilzeitbeschäftigung im betrachteten Zeitraum zwar auch um ca. 1% gesunken, lag aber gut 4% höher.

 

Bild 1
Bild 1 Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den abhängig Beschäftigten in der BRD, 1960-90 (Quelle: Statistisches Bundesamt).
Bild 2 Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den abhängig Beschäftigten in der BRD, 1991-99 (veränderte Berechnungsbasis, nicht mit Bild 1 vergleichbar; Quelle: Statistisches Bundesamt).

Bild 3 Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (d.h. ohne geringfügig Beschäftigte), Mitte 1997, (Quelle: Globus Grafik 4790)

Bild 4 Anteil der Teilzeitbeschäftigten (max. 30 Wochenstunden) an den Erwerbstätigen (d.h. einschließlich Selbständigen) in ausgewählten OECD-Ländern (Quelle: OECD Employment Outlook 2001).



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