Abspann
Rationalisierungen
in der Kino- Branche
Von Anarr
Nicht nur die Beschäftigten
bekommen es zu spüren: Spätestens, wenn Kinos einfach von der
Bildfläche verschwinden, merken auch die KonsumentInnen der Filme,
daß das nicht nur der Abspann des Streifens war, den sie dort zuletzt
sahen.
Seit Jahren schon tobt
dieser Verdrängungskampf in der Kino- Branche, in dem kleine und
ältere Häuser zuerst auf der Strecke bleiben. "Konzentration"
heißt das Zauberwort und balgen wollen sich die Großen nicht
nur mit den Kleinen, sondern auch untereinander, um sich die begehrten
Marktanteile abzujagen. Die Zeche dafür sollen natürlich die
Beschäftigten zahlen.
Konzentrationsprozesse
Anfang der neunziger
Jahre wurde in der Branche ein Umbruch eingeläutet, den maßgeblich
Konzerne wie die amerikanische UCI und die neu gegründete Cinemaxx
AG in Deutschland gestalteten. Mit ihren Multiplex- Kinos wurden neue
Konzepte in der Architektur und der Ausstattung etabliert, die beispielgebend
für andere wurden. Zugleich setzten sie eine Entwicklung in Gang,
die zu einer Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen
führen sollte. Eingestellt wurden nun verstärkt StudentInnen
oder SchülerInnen, die weniger Sozialbeträge beanspruchen. Normal-
Beschäftigungsverhältnisse, die bis dahin noch in den kleinen
Kinos vorherrschend waren, wurden nicht weitergeführt und die Beschäftigten
kurzerhand auf die Straße gesetzt.
Verdrängung
durch Masse
Im Kampf um BesucherInnenströme
setzten die Großen zunächst auf Masse: Immer neue Filmpaläste
wurden hochgezogen, um sich gegenseitig das Wasser abzugraben. Staatlich
begünstigt durch Steuervorteile auf Anteile an Fonds fanden sich
immer auch neue Investoren, die für diese Zwecke gewonnen werden
konnten. Doch nach wenigen Jahren stießen auch die kapitalkräftigen
Konzerne an ihre Grenzen: Der erhoffte Zuwachs an BesucherInnen blieb
aus und die Multiplexe müssen seitdem genauso um ihre Auslastung
bangen.
Wie zum Beispiel in Berlin:
Berechnet wurde nach heute branchenüblichen Kriterien, daß
für die 3,4 Millionen EinwohnerInnen 34.000 Kinosessel ausreichen
würden. Ende 1999 gab es dagegen schon 56.000. Seit 1995 wuchs die
Zahl der Säle von 162 auf 276 an. Zu den 24.000 Sitzen, die in den
87 kleineren Kinos übrig geblieben sind, kamen in den vergangenen
Jahren weitere 32.000 hinzu. Entstanden sind diese ausnahmslos in den
13 neuen Multiplex- Kinos. Der Umsatz indes blieb weit hinter den Erwartungen
zurück: 1999 wurden gerade mal 11,6 Millionen Tickets verkauft -
nur 1,8 Millionen mehr als 1993, als der Bauboom der Multiplexe begann.
Eine ähnliche Entwicklung zeichnete sich im bundesweiten Maßstab
ab: Im Jahre 2000 sank erstmals seit zehn Jahren der Ticketumsatz um gut
einen Prozent auf knapp 0,82 Milliarden Euro. Die Auslastung der Kinos
fiel mit 176 Gästen je Platz fast auf den Stand von 1996 zurück
- für die Betreiber und AktionärInnen eine mittlere Katastrophe,
lagen die Planzahlen (und damit Gewinnerwartungen) doch weit höher.
Kampf
der Giganten
Bundesweit entstanden
bis Mitte 2000 117 Kinotempel (mit entsprechender Anzahl von Sälen).
Damit stellen die Multiplexe zwar nur ein knappes Viertel der rund 4.700
Kinosäle. Diese gehören aber nur noch einer Handvoll Betreiber,
die mittlerweile 39 Prozent der gesamten BesucherInnen und 43 Prozent
des Umsatzes auf sich vereinen.
Allein zwischen Januar und Juni 2000 wurden bundesweit 153 Kinosäle
(1999: 262) geschlossen. Darunter vor allem kleinere Kinos, die es angesichts
derartiger Konzentration immer schwieriger haben mitzuhalten. Die Modernisierung
ihrer Spielstätten, v.a. die Digitalisierung von Bild und Ton, erfordert
hohe Investitionen. Dem Preiskampf mit Billig-/Lockangeboten sind sie
dabei ebensowenig gewachsen wie dem um die Filmkopien der neuesten Filme:
Die stetig steigenden Produktionskosten der vorrangig konsumierten Hollywood-
Streifen treiben auch die Verleihmieten in die Höhe. Hinzu kommt
die fehlende Bindung an mächtige Verleiher.
Denn die Konzentrationswelle
wird nicht nur durch Fusionen von Betreibern, sondern im gesamten Filmgeschäft
verschärft: Bei Cinemaxx, wo bereits die belgische Kinokette Kinepolis
vorübergehend mit 25,1 Prozent einstieg, sicherte sich der Berliner
(neben Constantin und Kinowelt größte deutsche) Verleiher und
Produzent Senator seit 2000 ebenfalls eine Sperrminorität (25%).
Bei Theile Hoyts (Kinopolis-Spielstätten) stieg der Münchner
Medienkonzern und Verleiher Kinowelt mehrheitlich ein, der auch noch die
Häuser des australischen Multiplex-Betreibers Village Roadshow in
Deutschland übernehmen wollte. Die Kinowelt Medien AG (Hauptaktionäre
sind mit 31% Michael und Rainer Köhnel und mit 5% die Münchener
Rückversicherung) deckte damit die gesamte Verwertungskette ab -
bei Produktion und Verleih (Jugendfilm, Arthus) angefangen, über
Kinos (Kinopolis, Village) und den Lizenzhandel für Video/DVD, Fernsehen
und Internet bis hin zum Merchandising (Ladenkette Brameier Fanworld).
Doch der Versuch des Verleihers, sich mit dem Einstieg bei Kinoketten
eine Vorzugsbehandlung der eigenen Streifen und Werbung zu sichern und
gleichzeitig mit ihrem Lizenzhandel vom saisonal geprägten Kinobesuch
unabhängig zu bleiben, schlug gründlich fehl: Der Höhenflug
von Kinowelt wurde jäh beendet, als der Konzern 2000 in die roten
Zahlen rutschte. 2001 mußte Insolvenz beantragt werden, nachdem
er im ersten Quartal weitere Verluste in Höhe von 161,9 Mio.Euro
vor Zinsen und Steuern einfuhr und seine Gläubiger nicht mehr bedienen
konnte. Der Umsatz fiel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,2% auf
118,6 Mio. Euro. Im ersten Halbjahr 2000 wurde ein Ergebnis vor Zinsen
und Steuern in Höhe von 50,6 Mio. Euro erzielt. Nicht nur, daß
sich das erst 2001 erworbene Kinogeschäft als defizitär erwies.
Eingeleitet hatte den Niedergang bereits der Kauf eines 286 Millionen
Euro teuren Filmpakets (mit 270 Spielfilmen und 600 Serienfolgen) vom
amerikanischen Konzern Warner Brothers. Die daraus resultierenden Zahlungsverpflichtungen
konnte Kinowelt nicht bedienen. Bei der Ersteigerung hatte der Konzern
die deutschen Branchengrößen Kirch und Bertelsmann ausgestochen,
deren TV-Töchter sich aber weigerten, Senderechte aus dem Lizenzpaket
zu kaufen. Weil auch die öffentlich- rechtlichen Sender ARD und ZDF
nur spärlich interessiert blieben, saß Kinowelt quasi auf unverkäuflicher
Ware, die teuer bezahlt werden mußte. Dazu kam das Problem der hohen
Bankverschuldung, die zum ersten Halbjahr 2001 nach firmeneigenen Angaben
über 400 Mio. Euro betragen haben soll. Allein bis Ende 2001 sollte
eine Kreditsumme von 300 Mio. Euro zurückgezahlt werden.
Deshalb wurden Umstrukturierungen vorgenommen, um die Zahlungsfähigkeit
des Mutterkonzerns zu erhöhen. Im Juli 2001 meldete Kinowelt dazu
zunächst Insolvenz für die verlustträchtige Merchandising-
Tochter Bramaier Fanworld AG an, an der der Mutterkonzern 65% hielt. An
der rentablen MR Kinowelt, an der der Konzern 50% hält, wurde dagegen
festgehalten.
Bereits eine Woche später verkaufte Kinowelt auch seine Anteile am
Berliner Progress Film-Verleih (hauptsächlich Lizensierung alter
DEFA-Filmrechte) an dessen Mehrheitseigner, die Münchner Tellux-Beteiligungsgesellschaft.
Das Filmpaket mußte unter hohen Abschreibungen an Warner Brothers
zurückgegeben werden. Verhandlungen mit dem Hauptgläubiger,
der niederländischen ABN AMRO Bank, über Umschuldungen verliefen
ergebnislos. Nachdem sie Kinowelt Kredite in Höhe von rund 60 Mio.
Euro gekündigt hatte, mußte auch die Kinowelt Medien AG und
ihre Tochter Kinowelt Lizenzverwertungs GmbH im Dezember 2001 ein Insolvenzverfahren
einleiten. Mit dem Insolvenzantrag wurden auch alle anderen Kredite des
aus 24 Instituten bestehenden Konsortiums fällig gestellt.
Außer
Puste
Doch auch andere
Kinobetreiber beginnen zu schwächeln. Als eine der ersten geriet
die Kinokette Ufa Theater GmbH & Co. KG, einst Marktführerin
in Deutschland, in Schwierigkeiten. Der Konzern nahm zwischen 1995 und
1998 Investitionen von mehr als 150 Millionen Euro in Neubauten vor, um
im Wettbewerb mit anderen Multiplex- Betreibern wie Cinemaxx bestehen
zu können. Weitere Umstrukturierungen sollten folgen. Ende 1999 wurde
ein umfangreiches Sanierungsprogramm eingeleitet, in dessen Zuge ein Drittel
der gesamten Sitzplatzkapazität von 90.000 auf 60.000 reduziert wurde.
Unrentable Standorte, darunter auch einige Multiplex- Kinos, wurden geschlossen.
Im Mai 2000 gab die Düsseldorfer Rieck-Gruppe, die 80 Prozent an
Ufa hält, den Einstieg des Konkurrenten Cinemaxx mit 10% bekannt.
Der Konzern übernahm zudem die operative Leitung sämtlicher
Filmtheater der (einst konkurrierenden) Ufa- Gruppe, zu der zu diesem
Zeitpunkt 354 Leinwände gehörten. Mittelfristig (bis 2005) sollte
die Fusion folgen, womit ein neuer Branchenriese mit über 300 Millionen
Euro Umsatz und 600 Leinwänden entstanden wäre. Aus den Plänen
wurde jedoch nichts: Seit September 2001 tritt Ufa wieder mit eigenem
Management als eigenständiger Konkurrent auf. Entstanden war die
Partnerschaft aufgrund des bestehenden Überangebots an Kinoleinwänden
bei stagnierenden BesucherInnenzahlen. Die Trennung erfolgte nach nur
eineinhalb Jahren auf Wunsch der Ufa. Die Gewinnerwartungen, die der Konzern
und seine Mehrheitsgesellschafter, der US-Versicherungskonzern PRICOA
Capitals und die Beteiligungsgesellschaft Apax Partners, an die Kooperation
geknüpft hatten, wurden nicht erfüllt: Ufa schrieb auch 2001
rote Zahlen. Der Konzern nahm sich deshalb allein bis 2002 erneute Einsparungen
von mehr als 2,5 Millionen Euro vor; bis 2003 wollte er sich wieder in
die Gewinnzone bringen.
Cinemaxx blieb mit einer "strategischen Beteiligung" von 10%
an Ufa beteiligt. Auch bei der Programmplanung und im Vertrieb, beispielsweise
von Kino- Gutscheinen, arbeiten Cinemaxx und Ufa weiter zusammen. Mit
einem Umsatz von rund 84 Mio. Euro im Jahre 2001 ist die Ufa-Theater GmbH
nach Cinemaxx und Kieft & Kieft (CineStar) derzeit noch die Nummer
drei in Deutschland, gefolgt von Kinopolis. Sie verfügt über
233 Leinwände in 41 Kinos, darunter zehn Multiplexe. 2002 flammten
immer wieder Gerüchte um eine drohende Insolvenz auf. Der Konzern
verfügt über rund 1.000 Beschäftigte.
Angeschlagen
Erfahrungswerte in
der Branche besagen, daß nach knapp zwei Jahren auch neue Multiplexe
von BesucherInnenschwund und Umsatzstagnation betroffen sind. Flebbe,
mit 30 Cinemaxx- Großkinos größter Multiplex- Betreiber,
macht der Verdrängungswettbewerb deshalb genauso zu schaffen. Gegründet
wurde die Cinemaxx AG, die sich schnell zum Marktführer in Deutschland
mauserte, 1989 von dem Hannoveraner Kino- Mogul Hans- Joachim Flebbe,
der sich dazu mit den Medienunternehmern Rolf Deyhle und Dr. Bodo Scriba
zusammentat. 1998 ließ sich die Gesellschaft als erstes Kinounternehmen
in Deutschland an der Frankfurter Wertpapierbörse notieren. Die Unternehmensgruppe
mit Sitz in Hamburg bespielte im Jahre 2000 allein 53 Kinocenter, darunter
39 Multiplexx- Kinos, mit 368 Leinwänden und rund 96.000 Plätzen.
Rund 2.400 Beschäftigte arbeiten in dem Unternehmen.
Im Februar 1999 gründeten Cinemaxx AG und das größte belgische
Kinounternehmen Kinepolis Group NV eine gemeinsame Betreibergesellschaft
unter dem Namen Kinemaxx BV, an der sich beide mit jeweils 50 Prozent
beteiligten. Erklärtes Ziel des Joint Ventures war die weitere "Erschließung
des europäischen Kinomarktes". Bis 2002 wollte die Gesellschaft
- mit der der größte Kinounternehmenverbund auf europäischer
Ebene entstand - 20 gemeinsame Kinoneubauten eröffnen und betreiben.
Doch Ende 2000 war es schon wieder aus mit der Liaison: Kinepolis trennte
sich von Cinemaxx , die Verluste einfuhr. Der Konzern geriet immer mehr
in Zahlungsschwierigkeiten. Die Ufa- Krise tat ihr übriges. Flebbe
mußte Verhandlungen mit Vermietern und Filmverleihern aufnehmen,
um einen Zahlungsaufschub zu erwirken. Auch bei der Dresdner Bank wurde
er vorstellig, um seinen bisherigen Kreditrahmen von 40 Mio. Euro auf
56 Mio. Euro zu erhöhen.
Dabei konnte sich die Branche
zunächst eigentlich nicht über Zuwachsraten beklagen: Allein
für das erste Halbjahr 2000 errechnete die öffentlich-rechtliche
Filmförderungsanstalt (FFA) eine Steigerung der Kinobesuche um rund
12 Prozent auf 74,6 Millionen BesucherInnen, was einem Plus von acht Millionen
verkauften Kinokarten entsprach (eine Millionen Karten mehr als im Vergleichszeitraum
1998, in dem bereits Sensationsergebnisse eingespielt wurden). Die Umsätze
stiegen laut FFA sogar noch etwas stärker - branchenweit um 13 Prozent
auf 407 Millionen Euro. Allein der Cinemaxx AG wurden 18,3 Millionen -
und damit rund 12 Prozent mehr - KinobesucherInnen zwischen Juli 1999
und Juni 2000 beschert - zusammen mit einem Gewinn von rund 1,58 Millionen
Euro (1998: über eine Millionen Euro). Ein Grund zum Jammern? - Auf
den ersten Blick nicht. Das Problem zeigte sich allerdings im Detail:
Denn der Gesamtbesuch stieg nicht in dem Umfang wie der BesucherInnenzuwachs
der neu eröffneten Multiplex- Kinos. Die Konkurrenz führte somit
zu leeren Sälen in allen Kinos. Im zweiten Halbjahr 2000 mußte
Cinemaxx deshalb, wie andere Betreiber auch, einen drastischen Geschäftseinbruch
hinnehmen, dessen Ursache der starke BesucherInnenrückgang war. Die
Kinokette verzeichnete im sogenannten "Rumpfgeschäftsjahr"
2000 (1.Juli bis 31.Dezember 2000) bei einem Umsatz von 84 Mrd. Euro einen
Verlust von 26,8 Mio. Euro. Im Schnitt waren die Cinemaxx-Kinos nur zu
17,3% ausgelastet; die Gewinnschwelle liegt eigenen Angaben zufolge aber
bei rund 19%.
Um die Profite weiterhin zu
sichern, leiteten alle Kinogrößen Rationalisierungsmaßnahmen
ein. Seit 2001 werden bereits geplante Bauvorhaben gestoppt und etliche
Kinos geschlossen. Flebbe mußte seine Pläne, auch im Ausland
zu expandieren, mit dem Verkauf seiner dortigen 20 Großkinos vorerst
begraben. Des weiteren sollten Cinemaxx und Flebbes Zweitfirma Cxx- Edutainment,
die u.a. das "Regenwaldhaus" in Hannover betreibt, fortan strikter
Trennung unterliegen. Auch die Betreiberfirma Cxx, an der Flebbe allein
85% und Cinemaxx die übrigen 15% hielt, war im Juli 2001 in Zahlungsschwierigkeiten
geraten.
Zudem versuchte Cinemaxx, mit weniger Personal, weniger Vorstellungen
und weniger Service die Defizite zu senken und seine Marktführung
in Deutschland wieder zu festigen. Mit der Ankündigung betriebsbedingter
Kündigungen setzte das Unternehmen die Beschäftigten massiv
unter Druck. V.a. die von StudentInnen besetzten Teilzeitstellen, aber
auch jene von Angestellten in der Hamburger Verwaltungszentrale sollten
wegrationalisiert werden. Ergebnisverbesserungen von über 10 Millionen
Euro versprach sich der Konzern davon. Die Gewinnerwartungen mußten
trotzdem verschoben werden, stieg die Verschuldung doch auch 2001 weiter
an. Cinemaxx verfügt derzeit noch über 48 Kinos - darunter 36
Multiplex- Großkinos - mit 90.000 Plätzen.
Für die Branchengrößen
ging es bald wieder aufwärts: Im ersten Quartal 2001 stiegen die
BesucherInnenzahlen Angaben der Filmförderungsanstalt zufolge binnen
Jahresfrist um 12,4% auf 24,4 Millionen, die Umsätze legten um 12,1%
auf 266 Mio. Euro zu - und das bei niedrigeren Eintrittspreisen (minus
0,3%) und durchschnittlich 5,51 Euro Eintritt pro Karte. Vom BesucherInnenschwund
waren hauptsächlich noch die herkömmlichen Kinos betroffen.
Neuer
Branchenprimus
Längst den Rang
abgelaufen, Innovationsgeber zu sein, hat der Cinemaxx AG die Kieft &
Kieft GmbH der Geschwister Marlis und Heiner Kieft. Kieft & Kieft,
an dem der australische Kinomarktführer Greater Union die Hälfte
des Unternehmens hält, betreibt 57 Kinos in Deutschland, davon 22
Großkinos unter dem Namen CineStar. Das Lübecker Unternehmen
rangelte lange Zeit mit der Münchner Kinowelt Medien AG und deren
18 Kinopolis- Palästen um den zweiten Platz in der Branche, den es
nun hält. Der Konzern setzte dabei vor allem auf Marktnischen: So
etablierte das Unternehmen seine Multiplex- Kinos verstärkt in kleineren
Städten und in Ostdeutschland, wo die Betonklötze oft konkurrenzlos
dastehen. Zeichen setzt Kieft & Kieft v.a. aber nur in einer Hinsicht:
Das Unternehmen ist tarifungebunden und beschäftigt überwiegend
SchülerInnen zu Dumpinglöhnen von rund fünf Euro die Stunde!
Hart
und bescheiden
Die Konzerne haben
im Zuge ihres Verdrängungswettbewerbs ein Überangebot an Kinoleinwänden
bei stagnierenden BesucherInnenzahlen erzeugt. Der verschärfte Kampf
um den Kino-Markt muß dennoch irgendwie finanziert werden. Bluten
sollen dafür wieder mal die Beschäftigten!
Die Löhne in der Kinobranche, wo zahlreiche StudentInnen und Teilzeitkräfte
arbeiten, liegen dabei schon weit unter dem Niveau vergleichbarer Großunternehmen.
Dumpinglöhne zwischen 6,08 und 6,66 Euro die Stunde reichten bereits
im Jahre 2000 kaum zur Existenzsicherung.
Trotzdem forderten die beiden Branchenriesen Cinemaxx AG und Ufa, die
zusammen über 3.000 bis 4.000 Beschäftigte verfügen, in
der bundesweiten Tarifrunde im Sommer/ Herbst 2000 die Auflösung
der bisherigen Tarifstrukturen sowie die totale Flexibilisierung der Arbeitszeit
und -organisation. Jede/r Beschäftigte sollte fortan - jederzeit
und je nach Bedarf - in mehreren Bereichen eingesetzt werden können.
Die bis dahin "getrennten" Tätigkeitsfelder Kasse, Einlasskontrolle
und Platzanweisung sowie Gastronomie sollten auf diese Weise miteinander
verschmelzen. Auch ein geteilter Dienst war dabei vorgesehen. Beispielsweise
im Hinblick auf Planspiele, Kinos zu sogenannten "Event-Centern"
mit einer Kernöffnungszeit von 8 bis 3 Uhr umzustrukturieren. Von
besserer Auslastung der Spielstätten war die Rede, von Konferenzen
und Aktionärsversammlungen am Vormittag, denen bis in den späten
Abend das Filmprogramm und abschließend Nachtklub- Angebote folgen
sollten.
Dazu sollten Überstunden- und Nachtzuschläge gekürzt, Arbeitsverträge
befristet und die Niedriglöhne - damals knapp 767 Euro netto im Monat
bei 40 Stunden die Woche - eingefroren werden. Lediglich der Job der FilmvorführerInnen
- mit Stundenlöhnen zwischen 8,18 und 11,25 Euro schon die "SpitzenverdienerInnen"
- sollte davon ausgenommen bleiben.
Die Beschäftigten konnten mit ihren Protesten und Warnstreiks derartige
Pläne nicht gänzlich verhindern, sondern nur noch entschärfen.
Denn die damalige IG Medien als Verhandlungsführerin signalisierte
von Anfang an ihre Bereitschaft, auf die Forderungen der Unternehmensseite
einzugehen. Sie bot selbst die Einführung einer Berufsgruppe "Servicefachkraft"
an - mit der Einschränkung, daß der Wechsel zwischen den Tätigkeitsfeldern
innerhalb eines Kinotages ausgeschlossen bleibt. Auch die Entgeltregelungen
fielen so bescheiden aus, daß nicht von "Lohnerhöhungen"
die Rede sein konnte.
Insgesamt hatten 350 Kino-Beschäftigte in Aachen, Berlin, Bielefeld,
Bremen, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Hannover, Heidelberg und Wuppertal
Ende Oktober 2000 rund 40 Kinos bestreikt. Etliche Vorstellungen fielen
dadurch zwar aus oder begannen mit Verspätung, aber in einigen Kinos
waren so viele StreikbrecherInnen anwesend, daß der Betrieb sogar
störungsfrei laufen konnte. Streikposten wußten allerdings
zu berichten, daß sich viele KinobesucherInnen mit den Streiks solidarisierten
und aufs Programm verzichteten. Das besondere an dem Arbeitskampf war,
daß er sich erstmals nur gegen bestimmte Kinobetreiber richtete:
Ufa und Cinemaxx hatten Ende 1999 ihren Austritt aus dem Hauptverband
Deutscher Filmtheater (HDF) und den Eintritt in die Arbeitgeberverband
Dienstleistungsunternehmen e.V. (ardi) erklärt. Bei ardi war bis
dahin lediglich der Technische Überwachungsverein (TÜV) und
ein Ingenieursverband organisiert, die mit der damaligen Gewerkschaft
ÖTV Tarifverträge abgeschlossen hatten.
Noch
mehr faule Kompromisse
Im Sommer 2001 einigten
sich der HDF und die (nunmehr) Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft
(ver.di) auf einen neuen Bundestarifvertrag Kino. Neben Lohnabkommen wurden
darin auch einige Mantelregelungen neu gefaßt. Bei den Ergebnissen
von einem "Durchbruch" zu sprechen, wie ver.di es tat, erscheint
dabei vermessen, handelte es sich doch vielmehr um Angleichungen an bestehende
Tarife, die bescheiden genug ausfielen. So wurde etwa eine Vereinbarung
zur Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich getroffen,
die in zwei Stufen (auf 39 Stunden ab 2003 und 38 Stunden ab 2004) erfolgen
soll. Angehoben wurde auch der Urlaubsanspruch: Für unter 30jährige
erhöhte sich der Mindestanspruch stufenweise von 2002 bis 2004 auf
5 Wochen, für über 30- bzw. 50-jährige auf 26 bzw. 28 Arbeitstage.
Einige Änderungen wurden auch bei den lohnrelevanten Ortsklassenregelungen
erzielt, über die seit einem knappen Jahrzehnt gestritten wird: In
die bisherige Ortsklasse S, die nur sogenannte Erst- und Uraufführungstheater
in Städten über 100.000 EW umfaßte, rückten nun aus
der Ortsklasse B auch alle Kinocenter in anderen Orten auf, die über
mehr als acht Leinwände (ursprüngliche Forderung: fünf)
und 1.800 Sitzplätze (1.200) verfügen. Die Ortsklasse A, die
Nachtspieltheater in Großstädten klassifizierte, wurde ganz
aufgelöst und der S-Klasse zugeschlagen. Die Anpassung erfolgt(e)
stufenweise über einen Zeitraum von drei Jahren - den gleichen Zeitraum,
über den ver.di ein Lohnabkommen mit der HDF einging, das den Beschäftigten
keinerlei Einkommensverbesserungen brachte (0% für Juli/August, 3%
mehr ab 01.09. 2001 und je 2,0% ab 01.07.2002 und 2003).Die Jahresleistung
für die Kinobeschäftigten stieg 2001 von bis dahin 383,47 auf
511,29 Euro, 2002 auf 525 und 2003 auf 540 Euro. Doch ver.di war noch
zu weitergehenderen Zugeständnissen bereit: Für Teilzeitbeschäftigte,
die nach dem 30.Juni 2001 eingestellt wurden, gibt es seitdem nur noch
Mehrarbeitszuschläge, wenn sie über die tarifliche Wochenarbeitszeit
hinaus Mehrarbeit leisten. Der Forderung der Arbeitgeber, befristete Arbeitsverträge
nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse
abschließen zu können, stimmte ver.di zwar nicht zu. Aber es
ist fortan möglich, daß bis zu zehn Prozent der Beschäftigten
(einschließlich der bis dahin bereits bestehenden Befristungsmöglichkeiten
aus sachlichem Grund) in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen.
Außerhalb einer Befristung aus sachlichem Grund ist eine Befristung
nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge
nur einmal zulässig.
Nichts
genommen
Die letzte Verhandlungsrunde
in der Branche, wieder von ver.di und ar.di gegen die Interessen der Beschäftigten
von Cinemaxx und Ufa geführt, brachte dann tatsächlich einen
"Durchbruch". Denn: Erstmals sollten die Beschäftigten
nicht nur real auf Lohnerhöhungen verzichten, sondern auch noch zusätzliche
Lohnabschläge hinnehmen! Die Arbeitgeberseite machte den Vorschlag,
erst ab Januar 2003 wieder über Lohnerhöhungen verhandeln zu
wollen. 2002 sollte nicht nur eine Nullrunde erfolgen, sondern die Beschäftigten
sollten 5% ihres Einkommens abtreten und diese Summe erst nach 12 Monaten
verzinst wiedererhalten. Im Gegenzug wollten die beiden Kinobetreiber
eine nicht näher präzisierte Arbeitsplatzsicherung abgeben-
allerdings auch nur für jene Kinos, die ohnehin nicht geschlossen
werden sollten.
Dabei hatte sich schon seit dem letzten Abschluß zwei Jahre zuvor
die Einkommenssituation für viele Beschäftigte, insbesondere
die TeilzeitarbeiterInnen, drastisch verschlechtert. Für die Konzernrechnung
hieß das hingegen, daß der Personalkostenanteil an den Gesamtkosten
von über 20% im Jahre 2000 um etwa 3 Prozentpunkte gesenkt werden
konnte. Dies wurde nur dadurch möglich, daß der Personaleinsatz
in den Kinos stark eingeschränkt wurde - weniger Stunden und damit
weniger Lohn. Das ganze ging natürlich mit einer extremen Leistungsverdichtung
für die Beschäftigten einher. Die flexiblen Einsatzmöglichkeiten,
die 2000 durch ver.di mitgestaltet wurden, sind ihrer Angabe zufolge durch
Cinemaxx und Ufa "erheblich ausgenutzt" worden. Das gleiche
gilt für Nachtzuschlagszahlungen, die dramatisch zu Lasten der Lohnabhängigen
reduziert wurden. Dazu kommt, daß Cinemaxx - wie andere Unternehmen
auch - in Ost und West ein unterschiedliches Tarifniveau aufrecht erhält:
Die Tarifgehälter sind zwar einheitlich, aber in östlichen Kinostandorten
erhalten Beschäftigte (aufgrund übertariflicher Zulagen im Westen)
noch geringere Löhne. Was das für die Beschäftigten anderer
Unternehmen bedeuten mag, wird wohl erst dann anschaulich, wenn man/frau
bedenkt, daß der durchschnittliche Stundenlohn dabei noch immer
etwas über dem anderer Kinounternehmen liegt!
Nach acht Monaten Verhandlung, die von Warnstreiks begleitet wurden, erfolgte
im November 2002 ein Abschluß, der die vorhergehenden nur darin
übertraf, daß er noch miserabler ausfiel, und die Angleichung
an das (noch) schlechtere Tarifniveau des HDF manifestierte. Der zum 31.März
gekündigte Entgelttarifvertrag wurde rückwirkend zum 1.April
wieder in Kraft gesetzt, die Löhne und Gehälter ab 1.Januar
2003 um sage und schreibe 20 Cent die Stunde erhöht. Nicht umsetzen
konnten die Arbeitgeber ihre Forderung nach Einschränkungen für
bestehende Provisionsregelungen (Ansprüche darauf sollten für
Ufa- Beschäftigte bei Eingruppierungswechsel in die "Servicefachkraft"
verfallen). Die Anhebung der untersten Lohngruppe (Einlaß-, Platzanweisungs-
und Verkaufspersonal) auf das Niveau des Kassenpersonals und die zusätzlichen
Berufsjahresstufen (gefordert wurden jeweils eine weitere Jahresstufe
für die VorführerInnen ab 10 Jahren, für alle anderen ab
5 Jahren) wußte ardi allerdings ebenso zu verhindern wie die Umsetzung
der Forderung nach 60 Cent mehr Lohn. Damit lag der Abschluß unterhalb
derer anderer Branchen. Und das bei einer Laufzeit von 22 Monaten (bis
zum 31.Januar 2004)!
Nur mutig
gestritten!
Zur Zeit gibt es
zwei (ver.di-) Kino-Tarifwerke: Eines mit dem HDF (für die Unternehmen
UCI, Yorck- Kinos und viele andere) und eines mit ardi (für die Unternehmen
Cinemaxx und Ufa). Daneben gibt es Unternehmen ohne geltenden Tarifvertrag,
wie z.B. die Multiplex-Kette CineStar, an deren Personalkosten und -struktur
sich auch alle anderen Branchengrößen orientieren wollen.
Den reformistischen Gewerkschaften galt das Kino- Gewerbe wegen der vielen
studentischen Hilfskräfte und der hohen Personalfluktuation lange
Zeit als "schwer organisierbar". Die Tarifrunde 2000 hat jedoch
gezeigt, daß die Streikbereitschaft unter den Beschäftigten
insgesamt stark gestiegen ist und sich ein größeres Selbstvertrauen
unter ihnen breit machte. Auch studentische Hilfskräfte konnten mobilisiert
werden. Die desaströse Streiktaktik von ver.di, die Warnstreiks bereits
wieder aussetzt, sobald die Arbeitgeberseite auch nur ihre Bereitschaft
signalisiert, "verhandeln" zu wollen, konnte den Konzernen bisher
dennoch die gewünschten Ergebnisse sichern.
Organisationen wie ver.di, die auf Bündnisse mit Arbeitgebern setzen,
haben einmal mehr bewiesen, daß (auch) in der Kino- Branche eine
kämpferische Selbstorganisierung von Lohnabhängigen dringend
vonnöten ist. Um so erfreulicher ist es deshalb, daß sich in
den letzten Jahren auch kämpferische Gewerkschaften wie das Kultursyndikat
der FAU Berlin entwickelt haben, die sich (nicht nur) im Kino- Gewerbe
einmischen wollen. Im Sommer letzten Jahres haben die Berliner KollegInnen
beispielsweise eine Untersuchung angestrengt, um mehr über die Arbeitsbedingungen
von FilmvorführerInnen, Putz- und Servicekräften in den Kinos
der Metropole zu erfahren. Das Ziel soll letztendlich sein, die Isolation
am Arbeitsplatz zu überwinden, sich mit anderen Lohnabhängigen
auszutauschen und vielleicht auch gemeinsame Aktionsmöglichkeiten
zu entwickeln. - Eine Initiative, die hoffentlich Schule machen wird!
Letzte
Meldung:
Die Luebecker Firma Kieft & Kieft hat sich nunmehr an die Branchenspitze
gesetzt und ihren ärgsten Konkurrenten, Cinemaxx, auf den zweiten
Platz verwiesen. Mit der Übernahme von 32 der 37 Haeuser der kriselnden
Ufa-Gruppe zum 1.April wird das das Unternehmen künftig über
insgesamt 96 Standorte mit 145.000 Sitzplätzen und 240 Millionen
Euro Umsatz verfügen.
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